Es klingt wie eine skurrile und fast absurde Episode der amerikanischen Geschichte, aber in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt im Jahr 1920, war es tatsächlich möglich, Kinder über den US-Postdienst zu verschicken. Dieses bemerkenswerte und oft wenig bekannte Kapitel verdeutlicht die Flexibilität und die damals noch relativ lockeren Vorschriften des US-Postdienstes. Doch wie kam es überhaupt zu dieser merkwürdigen Praxis, und warum entschieden sich Eltern dafür, ihre Kinder auf diese Weise zu „verschicken“?
Die Praxis begann kurz nach der Einführung des Paketpostdienstes durch die United States Postal Service (USPS) im Jahr 1913. Vor dieser Zeit konnten nur Briefe und kleinere Pakete über den Postdienst verschickt werden, doch mit der Erweiterung des Dienstes, die auch größere Pakete ermöglichte, wurden die Grenzen dessen, was verschickt werden konnte, auf kuriose Weise getestet. Damals waren die Regularien noch nicht so streng und klar definiert wie heute. Die Idee, dass auch Kinder Teil dieser neuen Regelung sein könnten, entstand schnell, besonders in ländlichen Gebieten, wo Reisen umständlich und teuer sein konnten.
Die Bedingungen für den Kindertransport
Es gab bestimmte Bedingungen, die erfüllt werden mussten, damit ein Kind offiziell per Post verschickt werden konnte. Eine der wichtigsten war, dass das Kind nicht mehr als 50 Pfund wiegen durfte. Dieser Grenzwert war eine direkte Folge der Vorschriften für den Paketversand. Da die Paketpost ursprünglich für Waren wie Lebensmittel, Kleidung oder Haushaltsgegenstände gedacht war, galt diese Gewichtsbeschränkung auch für Kinder, die auf die ungewöhnliche Idee kamen, diesen Dienst zu nutzen.
Zusätzlich wurden den Kindern die entsprechenden Briefmarken, die den Versandpreis abdeckten, buchstäblich an ihrer Kleidung befestigt. Dieser Aspekt verdeutlicht die damals noch pragmatische und flexible Haltung gegenüber den Vorschriften des Postdienstes. Obwohl es heute als absurd erscheinen mag, Kinder auf diese Weise zu „verschicken“, war dies für einige Familien die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, ihre Kinder über größere Entfernungen zu transportieren.
Die Rolle der Postbeamten
Interessanterweise reisten die Kinder während der Fahrt in einem Zug, der als Teil des Postdienstes fungierte. Diese Züge hatten oft spezielle Wagen, die nur für den Transport von Postsendungen vorgesehen waren. In diesen Postwagen wurden die Kinder von Postbeamten beaufsichtigt und versorgt. Diese Beamten, die in erster Linie für die Sicherheit und den Transport der Pakete verantwortlich waren, übernahmen somit auch die Aufsicht über die kleinen „Postpakete“.
Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist die Reise eines Kindes über eine Strecke von mehr als 700 Meilen, die von Florida nach Virginia führte. Für diese Reise wurden lediglich 15 Cent an Briefmarken benötigt, um das Kind zu verschicken. Dies war deutlich günstiger als die Kosten für ein Bahnticket, das mehrere Dollar betragen hätte. Diese finanziellen Ersparnisse machten den Versand per Post zu einer attraktiven Option für Familien, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten lebten.
Die Einstellung der Praxis
Obwohl die Praxis des Kindertransports per Post keine weitverbreitete oder langanhaltende Methode war, wurde sie doch mehrfach genutzt, bevor der USPS schließlich Maßnahmen ergriff, um diese ungewöhnliche Nutzung des Paketdienstes zu unterbinden. Nach einer Reihe von Berichten über solche Vorkommnisse reagierte die Postbehörde mit strengeren Vorschriften, die den Versand von Menschen ausdrücklich untersagten.
Im Jahr 1920, nach einigen dieser ungewöhnlichen Vorfälle, stellte der USPS schließlich klar, dass Kinder nicht als „Pakete“ betrachtet werden dürften und es daher verboten sei, sie per Post zu verschicken. Dies markierte das Ende dieser kuriosen Praxis, die für viele heutige Menschen kaum vorstellbar erscheint.
Eine merkwürdige Episode der Postgeschichte
Die Geschichte des Kindertransports per Post in den USA ist zweifellos eine der ungewöhnlichsten Episoden in der Geschichte des Postwesens. Sie verdeutlicht, wie flexibel und kreativ Menschen in vergangenen Zeiten mit den verfügbaren Mitteln umgingen, um praktische Lösungen für die Herausforderungen des Alltags zu finden. Obwohl diese Praxis heute als absurd und unvorstellbar gilt, spiegelt sie die Bedingungen und den Erfindungsreichtum einer anderen Ära wider.
Letztendlich zeigt diese Geschichte auch, wie sich Vorschriften und Regularien im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben, um den sich verändernden gesellschaftlichen Normen und Erwartungen gerecht zu werden. Heute ist es unvorstellbar, dass Kinder als „Postpakete“ betrachtet werden könnten, aber diese ungewöhnliche Praxis bleibt ein faszinierendes Relikt aus einer Zeit, in der die Grenzen des Möglichen manchmal auf unerwartete Weise getestet wurden.
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